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Kann sich ein Verein seinen Schulden entziehen?

Der Lord lässt sich entschuldigen …

… er ist zu Schiff nach Frankreich. Warum Sie sich plötzlich im 5. Akt der „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller finden, warum sich Lord Leicester vertschüsst hat und was das mit dem Vereinsrecht zu tun haben soll? Oder mit § 158 StGB, der da lautet „Wer nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen“? Und wer ist es, der (oder die?) dann so königlich gefasst reagiert: „Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fassung da“? Eines sei gleich verraten: die Vereinsgläubiger sind es nicht, außer ihre Psyche ist durch regelmäßiges Meditieren gefestigt.

Anders gesagt:
Kann sich ein Verein seinen Schulden (bzw. seinen Gläubigern) dadurch entziehen, dass er sich auflöst (bzw. sich nach Frankreich einschifft)?

Szenario A: Der Verein ist ohnehin schon pleite, sprich: völlig vermögenslos (und hat auch keine Forderungen mehr, die ja auch zum Vermögen gehören). Dann haben die Gläubiger Pech gehabt. Es wird das Beste sein, den Verein so rasch wie möglich wegen Vermögenslosigkeit aufzulösen und dies der Vereinsbehörde mitzuteilen. Da bleibt den Gläubigern wirklich nichts anderes übrig, als sich zu zwingen, mit ruhiger Fassung dazustehen. Der Vereinsvorstand kann sich ja dann getrost zu Schiff nach Frankreich verabschieden. Allerdings: hat sich der Verein durch kridaträchtiges Verhalten (z. B. durch außergewöhnlich gewagte Geschäfte, die nicht zu seinem gewöhnlichen Betrieb gehören; durch übermäßigen Aufwand; durch nicht vorhandene Buchhaltung, sodass er keinen Überblick über seine Finanzlage hatte) selbst in diese Lage gebracht, so droht den vertretungsbefugten Vorstandsmitgliedern persönliche Haftung.

Szenario B: Es ist Vermögen da, aber nicht genug, um alle Gläubiger voll befriedigen zu können. Der Verein ist also insolvent. Da wäre „Schiff nach Frankreich“ keine gute Lösung, und die Gläubiger würden auch nicht mit ruhiger Fassung dastehen. Der Verein muss Insolvenz anmelden, damit die gleichmäßige Verteilung des Vermögens an die Gläubiger gewährleistet wird. Der Insolvenzantrag kostet allerdings (€ 4.000), und schlimmstenfalls müssen den die vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder selbst erlegen. Das ist aber eine Menge Geld – kann man sich das nicht und überhaupt das ganze Insolvenzverfahren sparen? Ja, wenn man nur wenige Gläubiger hat, kann man ja versuchen, denen die Lage klarzumachen und ihnen eine im Verhältnis ihrer Forderung zu den Gesamtschulden des Vereins entsprechende quotenmäßige Zahlung anbieten. „Und in dem ‚Wie‘, da liegt der ganze Unterschied.“ Was erstens ein Zitat ist, und zweitens die Mahnung zur Vorsicht: Nach dem Eintritt der Insolvenz darf kein Gläubiger bevorzugt werden (das heißt, man darf auch die laufenden Ausgaben wie Miete oder Gehälter nicht mehr tätigen). Sind alle einverstanden, kommt es zu einem außergerichtlichen Ausgleich, dann kann der Verein gelöscht werden.

Szenario C: Ein Gläubiger hat schon geklagt, ein Gerichtsverfahren ist anhängig, und ganz pleite ist der Verein noch nicht. Einfach den Laden schließen und dem Gläubiger eine lange Nase drehen? Keine gute Idee. Wenn der Verein ohnedies schon vermögenslos wäre, dann schon – auflösen und löschen, das Gerichtsverfahren wird eingestellt. Finden sich aber noch Reste in der Kasse, die man noch schnell verteilt, bevor man den Verein auflöst, dann wäre die Variante „zu Schiff nach Frankreich“ ganz schlecht. Neben dem eingangs zitierten § 158 StGB kommt auch noch § 156 StGB („betrügerische Krida“) in Frage, der bestraft den Schuldner (in unserem Fall: die vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder), der „einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert“. Alles klar? Selbst wenn der Verein einen Beschluss auf Auflösung fasst, und dann beginnt, in der Liquidationsphase sein Vermögen zu verteilen, ist das kein Grund für eine Beendigung des Gerichtsverfahrens – von dem man noch dazu nicht weiß, wie es ausgeht und welche Kosten dabei noch anfallen. Mit der Vermögensverteilung zu beginnen, wäre daher höchst riskant.

Mit „ruhiger Fassung“ stand Königin Elisabeth da. Ob sie aber als role model für die Gläubiger des Vereins taugt, lassen wir dahingestellt.